Das Zeichen.
Es ist den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 und den Betroffenen von Medikamententests im Kanton Thurgau zwischen 1940 und 1980 gewidmet. Das »Zeichen der Erinnerung« wurde im Auftrag des Kantons Thurgau von der Münchner Künstlerin Karolin Bräg geschaffen.
Es besteht aus dem Hauptzeichen auf dem ehemaligen Spitalfriedhof Münsterlingen sowie zwei Partnerzeichen auf dem Gelände von Psychiatrischer Klinik und Stiftung Mansio in Münsterlingen bzw. auf dem Gelände des Massnahmenzentrums Kalchrain.
Der gartendenkmalpflegerisch wiederhergestellte Spitalfriedhof wurde als Standort des »Zeichens der Erinnerung« bestimmt, weil er ein herausragender Erinnerungsort der thurgauischen Gesellschaftsgeschichte ist. Er ist nun selber Teil des »Zeichens der Erinnerung«. Die Partnerzeichen stehen auf dem Gelände von Institutionen, die seinerzeit an den Vorgängen, an die erinnert wird, beteiligt waren.
Das Hauptzeichen besteht aus der Sandsteinskulptur »Haus der Erinnerung« mit eingeschriebenen Worten von Betroffenen über ihr Schicksal. Im Vermittlungsraum werden Informationen über die genannten geschichtlichen Vorgänge vor 1981 gegeben. Es liegt zudem ein Buch auf, in dem Gedanken niedergelegt sind, die Betroffene und Nichtbetroffene in persönlichen Gesprächen gegenüber der Künstlerin geäussert haben. Die Besucherinnen und Besucher dürfen ihre eigenen Gedanken niederschreiben und einwerfen. Diese werden gesichtet und periodisch auf dieser Internetseite publiziert.
Gedächtnis ist Gespräch über die Generationen und Zeiten hinweg. Das thurgauische »Zeichen der Erinnerung« findet seine Vollendung in diesem fortdauernden Gespräch.
Der Ort
Nach der Eröffnung des Thurgauer Kantonsspitals mit Irrenabteilung 1839 in Münsterlingen wurden verstorbene Patientinnen und Patienten auf dem katholischen Friedhof bei der Klosterkirche und auf dem evangelischen Friedhof in Scherzingen bestattet. Doch reichte das Platzangebot schon 1840 nicht mehr aus. So nahm man 1844 östlich des Klostergevierts einen kantonalen Friedhof in Betrieb. Auf ihm wurde in der Reihenfolge des Todes ohne Unterschied der Konfession bestattet. Im konfessionspolitisch offenen Klima der Zeit sah darin niemand ein Problem.
Da man die Belegung der Kliniken und die Sterblichkeitsrate erneut unterschätzt hatte, war der Friedhof schon 20 Jahre später überbelegt. 1864 eröffnete man am jetzigen Standort eine wesentlich grössere Anlage. Das Einvernehmen zwischen Staat und Kirche hatte inzwischen der Konfrontation Platz gemacht. Dementsprechend wurde die Beerdigung ohne Unterschied der Konfession von katholischer Seite in Frage gestellt. Der Staat blieb aber dabei.
Aus gesundheitspolizeilichen Gründen mussten jahrzehntelang alle, die in den Kliniken verstarben, auf diesem Friedhof bestattet werden. Als mit Eisenbahn und Automobil schnellere Transportmittel aufkamen, lockerte man den Bestattungszwang. Damit ging die Belegung des Friedhofs zurück. Schliesslich wurde hier nur noch beigesetzt, wer keine Angehörigen mehr hatte oder arm war. Deshalb sprach der Volksmund nicht mehr vom Spital-, sondern vom Armen- oder Fremdenfriedhof. 1951 bot die Anlage einen armseligen Anblick. Viele Gräber wiesen weder ein Grabmal noch eine Bepflanzung auf. Der Regierungsrat ordnete deshalb eine Bepflanzung von Staates wegen an und liess einfache Holzkreuze setzen.
In der Meinung, der Friedhof würde aufgehoben, verkaufte der Kanton das Grundstück 2003 der Gemeinde Münsterlingen. Diese erbaute auf einem Teil des Perimeters ihr Gemeindehaus und legte später auch ein Retensionsbecken an. Neben der Friedhofkapelle wurde eine Druckverminderungsstation für die überregionale Erdgasversorgung platziert. Schliesslich fiel die Einfriedungsbepflanzung weg. 2023 wurde der Friedhof für das »Zeichen der Erinnerung« restauriert.